Aus der Vergangenheit des Schulbezirks Oberscherli
Unsere reichgegliederte Landschaft mit ihren Wäldern, Gräben, Höhen und der Scherlibachschlucht zeugt von einer bewegten vorgeschichtlichen Vergangenheit. Dem aufmerksamen Betrachter zeigen sich die Ablagerungen des einstigen Molassemeeres als Nagelfluh, Mergel und Sandstein mit den entsprechenden Versteinerungen. Ebenfalls finden sich Spuren der Eiszeitgletscher, welche die Landschaft gestalteten (Moränen, Kies- und Sandgruben, Lehm => Leimen). Andererseits entstand auch fruchtbare Ackererde.
Nach Kelten und Römern (Gasel = casale, Landhaus) wanderten im frühen Mittelalter zuerst Burgunder und später Alemannen in unsere Gegend ein. Dadurch kam die Sprachgrenze bereits im frühen Mittelalter nahe bei Oberscherli zu liegen. Gräber von romanisierten Burgundern in der Nähe zeugen ebenso davon wie der Ortsname Wahlern, mit welchem Deutschsprachige «Welsche» bezeichneten. Auf den Gewinn von Kulturland durch Rodungen im hohen Mittelalter geht der Name Schlatt (= <Holzschlag) zurück.
Wenig wissen wir aus dem 12. und 13. Jahrhundert von den Adligen von Sternenberg, die vielleicht zeitweise auf dem Burghügel bei der Scherliau wohnten. Aus dem Jahr 1215 datiert eine Urkunde, in welcher Graf Ulrich von Sternenberg der Wallfahrtskirche Oberbalm eine Mühle samt dem sie treibenden Bach und Land «zu seinem Seelenheil» schenkte. Das vor 1300 erloschene Geschlecht gab dem ab 1388 bernischen Landgericht Sternenberg den Namen, dessen Richtstätte auf dem «Galgenhubel», östlich von Oberbalm, uns an Zeiten blutigen Strafvollzugs erinnert. Der «Herrenwald» oberhalb der Mühle gehörte offenbar den Deutschrittern im Schloss Köniz.
Nach der Reformation zog der Stadtstaat Bern die Kirchengüter ein. Die Mühle Oberscherli mit zwei Bauerngütern erwarb die Berner Schultheissenfamilie von Wattenwyl. Später wurde sie dem Inselspital zinspflichtig. Schon 1586 erwarb ein Jakob Grünig vom Staat Bern die Bewilligung zum Betrieb der Mühle und zur Stauung des Scherlibachs in der Au. Das Mühlengut blieb dann bis 1911 im Besitz der Familien Grünig.
Bauernschaft und Gewerbe in den verflossenen zwei Jahrhunderten
Unser Schulkreis umfasst die Dörfchen Oberscherli, Scherliau, Schlatt und Ulmiz sowie eine Reihe kleinerer Weiler und Einzelhöfe, die alle eigene Namen tragen. Die alten Bauernhäuser waren sehr einfach aus Holz erbaut mit Küche, Wohn- und Schlafzimmer, manchmal mit Gaden für Knechte und
Mägde oder die oft sehr zahlreichen Kinder. Die Sandsteinblöcke für die Grundmauern und Kellergewölbe wurden aus den nahegelegenen, zu jedem Hof gehörigen Sandsteinbrüchen geholt. Ein Steinhauer übte sein Gewerbe noch im letzten Jahrhundert in der Scherliau aus.
Das Bauernleben gestaltete sich äusserst einfach und karg. Vor 1800 hiess es: «Die Landwirtschaft ist kein Gewerbe, sondern ein Amt. Der zeitliche Besitzer von Grund und Boden ist ein Meier Gottes. Er verwaltet im Namen der Gemeinschaft die Güter, die Gott für alle Erdenfrucht festgesetzt hat.» Das änderte sich, als der Berner Patrizier Tschiffeli um 1760 eine Landwirtschaftsreform propagierte und vorzeigte. Die Dreifelderwirtschaft wurde durch die Einsaat von Hülsenfrüchten und Klee in die Brache verbessert, die Kühe blieben im Stall, der Hofdünger, Klee und neue Grassorten erhöhten den Acker- und Wiesenertrag und vielenorts wurden Kartoffeln angebaut.
Hundert Jahre später entwickelte Justus Liebig den Kunstdünger, was die Erträge nochmals steigerte. Nun galt: «Die Landwirtschaft ist ein Gewerbe mit dem Zweck, durch Produktion pflanzlicher und tierischer Stoffe Geld zu verdienen, mit dem Zweck des höchstmöglichen Gewinns.»
Durch die Gründung der Talkäsereien verbesserten sich die Einkünfte der Bauern erheblich («Die Käserei in der Vehfreude» von Jeremias Gotthelf). 1866 konnte die erste Käserei in der Au eingeweiht werden, vorerst im Gebäude der aufgegebenen Nagelschmiede. 1966 wurde der Käsereibetrieb in der Au und 1996 auch die Milchsammelstelle zugunsten der Hofabfuhr aufgehoben. Durch die Konzentration in der Landwirtschaft sind allein im Schulkreis Oberscherli 20 Klein- und Mittelbetriebe eingestellt worden. Das Land wurde an junge, zielstrebige Bauern verpachtet oder als Bauland verkauft.
Auch das Gewerbe erlebte tiefgreifende Veränderungen: 1867 baute Hans Rohrbach gegenüber der Wirtschaft in der Scherliau eine Schmiedewerkstatt. 1907 zog er nach Oberscherli und erbaute hier eine Schmiede mit Wohnhaus. Aus der Schmiede wurde die heutige Garage Rohrbach. Dorfläden, die einst in der Scherliau, in Oberscherli vis-à-vis der Garage und im Schlatt standen, wurden im Laufe der Zeit aufgegeben. Eine 1928 von der Familie Ingold eröffnete Bäckerei wurde ab 1961 von Hartmann Jäger zu einer leistungsfähigen Bäckerei-Konditorei und einem Lebensmittelgeschäft mit Filialen ausgebaut. Die Tradition der holzverarbeitenden Gewerbe wird von den Schreinereien Baumgartner in Oberscherli und Thomet im Schlatt sowie von der Zimmerei Guggisberg in der Scherliau weitergeführt.
Ein Gewerbe- und Handelszentrum baute auch die schon erwähnte Familie Grünig in der Mühle Oberscherli auf. Im Laufe vieler Jahre entstanden hier zwei Bauernbetriebe, eine Sägerei, eine Knochenstampfe, eine Bäckerei
und eine Fuhrhalterei. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lieferte Albrecht Grünig Bauholz, verschiedene Mehlsorten und Knochenmehl in grossen Mengen nicht nur in die Nachbardörfer, sondern auch nach Bern, Freiburg und Thun. Er lieh Geld aus und wurde offenbar sehr reich.
Als aber die Stadt Bern ab 1870 Wasser aus dem Scherlibach ableitete und in einem Tunnel unter dem Dorf Oberscherli wegführte, gerieten die Grünigs in Bedrängnis. Die Maschinen konnten nur noch stundenweise betrieben werden. Trotz Entschädigungsleistungen der Stadt Bern zerfiel das kleine «Imperium» unter Karl Grünig. 1911 gingen die Mühlengebäude in Flammen auf und das Gut musste verkauft werden.
Die Schule
Dem ersten Lehrer in Oberscherli, Ullrich Tanner, stand 1720 ein Taunerhäuschen mit einer Schulstube und einem Lehrerstübli zu. 1780 wurden in der Gemeinde Köniz fünf Schulen aufgeführt, darunter als zweitgrösste (!) mit 73 Kindern Oberscherli. Der Jahreslohn des Lehrers betrug 16 Kronen und 8 1/3 Mäss Dinkel sowie 2 Kronen für das Vorsingen in der Kirche. Gelehrt wurden Buchstabieren, Lesen, Schreiben, Psalmen und Katechismus sowie ganz wenig Rechnen: Später kamen etwas Geographie und Naturlehre dazu.
Im Winter hatten die Kinder täglich ein Holzscheit für die Heizung mitzubringen. Bald wurde geklagt, dass sie dasselbe vergessen und dann unterwegs eines stehlen oder einen Zaunstecken mitlaufen lassen würden. Um ein genügendes Einkommmen zu erzielen, betrieben die Lehrer ein kleineres landwirtschaftliches Heimwesen, oder sie woben und schusterten in der Schulstube.
Verbesserungen im Schulwesen brachte die liberale Berner Verfassung von 1831. Im Jahr darauf wurde das Häuschen um ein Stockwerk erhöht und ein «Gehülfe» angestellt. Den Unterricht besuchten nun 65 Knaben und 49 Mädchen. 1859 erhielt Oberscherli endlich ein richtiges Schulhaus für zwei Klassen, eine Lehrer- und eine Lehrerinnenwohnung mit gemeinsamer Küche. Die «Abtritte» bestanden aus zwei Löchern über dem «Bschüttloch», vorerst (um Geld zu sparen!) ohne Trennwand zwischen Buben und Mädchen. Der Hausbau kostete Fr. 9'306.75.
Ab 1882 erhielten der Lehrer und die Lehrerin pro Jahr einen Kredit zum Ankauf eines Besens und einer Handschaufel. Für das Wischen erhielten sie Fr. 4.- bzw. Fr. 3.- pro Jahr! Der Jahreslohn betrug nun Fr. 600.- und Fr. 300.- Staatszuschlag.
1920 vermochten die beiden Schulstuben die 120 Kinder kaum mehr zu fassen. Ein neues Schulhaus wurde geplant. Aber des Standortes wegen
entzündete sich ein Streit, der auch Freunde verfeindete. Die Schlatter und Ulmizer wollte das neue Schulhaus im Schlatt haben, die Oberscherler in Oberscherli.
Beinahe kam ein Kompromiss zustande: Nüchtern, zwischen Schlatt und
Oberscherli.
Nun entschied der Gemeinderat, die Schüler von Ulmiz hätten ab Neujahr
die Schule Schliern zu besuchen, weil deren Schülerzahl niedriger war.
Doch nach Neujahr erschienen die Ulmizer Kinder wieder in Oberscherli und
baten frierend um Einlass. Der Lehrer Gottfried Schmied liess sich
erweichen, wurde aber von der Gemeinde gerügt, er habe die Kinder
wegzuweisen. Am folgenden Tag wiederholte sich das Spiel. Die Gemeinde
drohte mit Polizeiaufgebot und dem Lehrer mit Lohnverweigerung. Nun
beugten sich die Ulmizer dem Diktat.
Erst 1930 wurde das heutige Schulhaus mit drei Klassenzimmern, zwei Handarbeitsräumen, einem Duschenraum mit Volksbadkabine und einer Lehrerwohnung gebaut. Die Schülerzahl hielt sich fortan in Grenzen und erst 1946, als 88 Schüler zu erwarten waren, wurde der Schreibende an die neu errichtete Mittelklasse gewählt.
Einem besonderen Umstand war es zu verdanken, dass die Schule 1979 eine Mehrzweckhalle erhielt. 1986 war die Schülerzahl auf 38 gesunken, obwohl die Ulmizer Kinder inzwischen wieder die Schule Oberscherli besuchten. Eine Klassenschliessung drohte. Doch ein unerwarteter Bauboom setzte ein, und die Schülerzahl stieg nun dermassen, dass bald eine vierte Klasse eröffnet, zwei Pavillons aufgestellt und die Lehrerwohnung zu einem Schulzimmer und einem grossen Lehrerzimmer umgebaut werden musste. Zeitweise unterrichteten zehn Lehrkräfte. Leider erfuhr die Schule 1995–97 einen Aderlass: Die obersten drei Schulklassen wurden versetzt, was besonders die alten Oberscherler als schmerzlichen Verlust empfinden.
Hans Tanner